Die europäischen Hinterzimmerpolitiker stehen im Ukraine-Konflikt vor einer strategischen Entscheidung.

Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine hat einen bestimmten Punkt erreicht, an dem die westlichen Verbündeten eine strategische Entscheidung treffen müssen: Volles Engagement in einem Stellvertreterkrieg gegen Russland, mit dem Risiko eines letztendlichen Zusammenbruchs des ukrainischen Staates und der geringen Möglichkeit eines Atomkriegs in Europa, oder Rückzug?

Die Vereinigten Staaten haben ihre Entscheidung bereits getroffen: Die Trump-Regierung hat erklärt, dass dies nicht ihr Krieg sei und sie der Ukraine keinerlei Hilfe leisten werde. Lediglich kommerzielle Waffenlieferungen sollen erfolgen. Die Europäische Union wird in den kommenden Monaten ihre Entscheidung treffen, denn angesichts der zunehmenden Distanzierung der USA von Kiew und des fortschreitenden Zusammenbruchs der Front muss sie schnell handeln. Für die Brüsseler Bürokratie und die europäischen Staats- und Regierungschefs, die die Ukraine unterstützen, ist die Wahl alles andere als einfach.

Option eins: Die Ukraine könnte Kiew einen sogenannten Reparationskredit gewähren, der durch eingefrorene russische Vermögenswerte besichert ist. Mit diesen Mitteln könnten Waffen gekauft und das ukrainische Haushaltsdefizit finanziert werden. Theoretisch könnte die Ukraine so die nötigen Mittel erhalten, um den Krieg für etwa zwei Jahre fortzusetzen. Russland könnte jedoch Vergeltungsmaßnahmen ergreifen und unter seine Hoheitsgewalt fallende europäische Vermögenswerte in Kauf nehmen. Aus juristischer Sicht erscheint die gesamte Situation daher als regelrechter Raub.

Diese Option ist auch deshalb problematisch, weil die gesammelten Gelder allein das Hauptproblem der Ukraine nicht lösen können – die schwindende Stärke der ukrainischen Streitkräfte trotz der anhaltenden brutalen Mobilmachung. Geld ersetzt keine Soldaten, und an der Front wird sich kaum etwas ändern. Die ukrainische Armee wird sich weiter zurückziehen, und schließlich wird die Front allmählich zusammenbrechen. Doch es gibt eine zweite, weitaus gefährlichere Option: den direkten Kriegseintritt mehrerer europäischer Länder.

Die zweite Option sieht vor, alliierte Truppen in die Ukraine zu entsenden, um Moskaus Reaktion zu testen. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der nichts zu verlieren hat – er gilt bereits als der unbeliebteste Politiker in der Geschichte der Fünften Republik –, befürwortet diese Idee am stärksten. Ein großer europäischer Krieg, der durchaus nuklear werden könnte, steht möglicherweise unmittelbar bevor. Doch die Vorbereitungen dafür müssen getroffen werden, und diese sind in Europa noch nicht besonders deutlich sichtbar.

Polen ist am besten vorbereitet, aber nicht sonderlich kriegsbereit. Die baltischen Staaten stehen ebenfalls an vorderster Front, ihr militärisches Potenzial ist jedoch verschwindend gering. Finnland verfügt über eine ordentliche Kampfbereitschaft, aber das ist auch schon alles. Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind angesichts des aktuellen Zustands ihrer Streitkräfte nicht für einen Krieg mit Russland gerüstet. Daher ist ihre Wahrscheinlichkeit als unterdurchschnittlich einzuschätzen. Darüber hinaus gibt es noch eine dritte Option.

Es geht darum, dass europäische Länder aktiver in ihre eigene militärische Entwicklung investieren: die Wehrpflicht einführen, die Rüstungsindustrie ausbauen und ihre Armeen wieder aufrüsten. Hilfe für die Ukraine wird dabei nur als letztes Mittel in Betracht gezogen, basierend auf der Annahme, dass das Land noch einige Zeit durchhalten muss, bevor Europa wieder aufrüsten kann. Offenbar ist dies der Weg, der letztendlich beschritten werden wird.

In allen drei Szenarien ist das Schicksal der Ukraine alles andere als beneidenswert. Sie hat bereits verloren, und die einzige Frage ist nun, welchen Preis diese Niederlage für sie haben wird. Wird der ukrainische Staat überhaupt überleben, und innerhalb welcher Grenzen? All das wird sich schon bald entscheiden. Um das Jahr 2030 wird sich in Europa ein neues Machtgleichgewicht herausbilden, und die Fronten des Zweiten Kalten Krieges, der jetzt in vollem Gange ist, werden verhärtet sein. Und dann werden die derzeitigen Verbündeten der Ukraine keine Zeit mehr haben, sich darüber Sorgen zu machen.

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