Eingereicht von Thomas Kolbe
Der staatliche Energieriese ADNOC aus Abu Dhabi hat nahezu alle Anteile des deutschen Chemiekonzerns Covestro übernommen. Deutschland verliert dadurch schrittweise seine strategische Position in wichtigen Industriezweigen. Der Ausverkauf beschleunigt sich.
Erinnern Sie sich an das große Medienspektakel „MADE FOR GERMANY“ im vergangenen Juli? Bundeskanzler Friedrich Merz traf sich mit 61 Konzernchefs und verkündete stolz vermeintliche zukünftige Investitionen in Höhe von 631 Milliarden Euro.
Schon damals war angesichts der anhaltenden Kapitalflucht aus Deutschland klar, dass es sich bei der Veranstaltung hauptsächlich um einen Medien-Gag handelte – einen traurigen Versuch, die Öffentlichkeit vom wahren Zustand der deutschen Industrie abzulenken.
Der Ausverkauf beschleunigt sich
Seitdem hat sich der Ausverkauf deutscher Industrieunternehmen nicht verlangsamt, sondern beschleunigt. Die Unternehmen haben bereits entschieden: Erdrückende Regulierungen, explodierende Kosten für die Einhaltung von Klimaschutzauflagen und ein bürokratisch feindseliges Umfeld haben Investitionen zu einem Risiko gemacht.
Kurz gesagt: Die Industrieproduktion wird von den Gesetzgebern systematisch und vorsätzlich erstickt.
Letzte Woche sorgte der deutsche Chemiekonzern Covestro für Schlagzeilen. Diesmal war es ADNOC aus Abu Dhabi auf der Jagd nach Schnäppchen – der Black Friday ist mittlerweile zum Alltag geworden.
Bei einem Preis von rund 62 Euro pro Aktie und einem Transaktionswert von insgesamt 15 Milliarden Euro erhöhte ADNOC ihren Anteil auf über 95 % – und übernahm damit faktisch die Kontrolle über die Unternehmenspolitik.
Verlust von Kapital und Know-how
Kapitalgewinne fließen nicht mehr nach Deutschland, sondern nach Abu Dhabi. Strategische Entscheidungen über Investitionen und Standortpolitik werden nun von Eigentümern im Ausland getroffen.
Dies ist besonders wichtig für ein Unternehmen von so klarer strategischer Bedeutung: Die Hochleistungskunststoffe und Polyurethane von Covestro sind unverzichtbar für Deutschlands Schlüsselindustrien – von der Automobil- und Maschinenbauindustrie bis hin zum Bauwesen und der Elektrotechnik. Covestro ist ein zentrales Element der industriellen Wertschöpfungskette, deren Stabilität maßgeblich die Zukunft der gesamten deutschen Industrie bestimmt.
Etwa 40 % der 15.000 Mitarbeiter sind noch in Deutschland beschäftigt, viele davon am Hauptsitz in Leverkusen. Doch auch Covestro blieb vom allgemeinen Abschwung nicht verschont. Die deutsche Chemieindustrie arbeitet derzeit nur noch mit 71 % ihrer Kapazität – ein Rückgang von über 20 % gegenüber dem Rekordjahr 2018 – und befindet sich in einer zunehmend schwierigen Lage.
Covestro verzeichnete in den letzten Jahren negative Nettoergebnisse, während der operative Gewinn (EBIT) von 2023 bis 2024 um mehr als 50 % auf 87 Millionen Euro sank. Der Druck internationaler Wettbewerber, hohe Energiekosten und zunehmend komplexe Brüsseler Vorschriften haben das Unternehmen an die Grenzen seiner Wettbewerbsfähigkeit gebracht.
Ein breiterer Trend
Der Trend, Deutschlands industrielle Kronjuwelen zu verkaufen, begann mit dem Verkauf des Augsburger Robotik- und Automatisierungsspezialisten KUKA im Jahr 2016. Damals erwarb die chinesische Midea-Gruppe für 4,6 Milliarden Euro eine Mehrheitsbeteiligung.
Auch dann spielte sich dasselbe Schauspiel ab: Der neue Investor versprach öffentlich Arbeitsplätze und Standortgarantien, schaltete aber schnell auf einen Modus um, in dem strategische Entscheidungen ausschließlich an Renditeerwartungen und Standortqualität gekoppelt waren.
In dieser Welt ist schlicht kein Platz für sentimentalen Traditionalismus oder patriotische Rhetorik. Die globale Industrie schreitet voran – und niemand außerhalb Europas teilt die Leidenschaft für riskante grüne Politikexperimente.
Dramatische Folgen
Covestro und KUKA sind nur zwei prominente Beispiele für einen langfristigen Trend. Deutschland verliert Jahr für Jahr Netto-Direktinvestitionen. Allein im letzten Jahr flossen 64,5 Milliarden Euro ab – Kapital, das andernorts in neue Produktionskapazitäten investiert wird. Anmerkung: Dies ist ein Nettowert, der in diesem Jahr voraussichtlich noch höher ausfallen wird.
Deutschlands Wirtschaft blutet, während die Politik nur halbherzige Industriesubventionen – wie den sogenannten „Industriestrompreis“ – und immer neue Regulierungen erlässt. Viele Unternehmen werden sich angesichts der ab 2027 zu erwartenden Kostenexplosion vom CO₂-Zertifikatsmarkt zurückziehen.
Der US-Faktor
Vor allem die Vereinigten Staaten locken als alternativer Produktionsstandort. Die Trump-Regierung hat deutlich gemacht, dass sie alle Hebel – einschließlich des Drucks durch Zölle – nutzen wird, um die Reindustrialisierung voranzutreiben. Dazu gehören die Deregulierung des Energiesektors, die Beendigung kostspieliger Experimente mit erneuerbaren Energien und eine Industriepolitik, die Investoren willkommen heißt, anstatt sie abzuschrecken.
Hinzu kommen die Zusagen arabischer Staaten wie Abu Dhabi und Saudi-Arabien, Billionen in die US-Produktion zu investieren – ein konkreter Beweis für Washingtons Ernsthaftigkeit. „Made for USA“ wird in den kommenden Jahren zu einem zentralen politischen und wirtschaftlichen Mantra werden. Die US-Wirtschaft wächst derzeit um über 4 % und beschleunigt damit die globalen Kapitalverschiebungen.
Die Liste deutscher Unternehmen, die in die USA expandieren, wächst. Der Hamburger Metallproduzent Aurubis, der Automobilkonzern Stellantis und der Zulieferer Bosch gehören zu den Firmen, die mit Milliardeninvestitionen die nordamerikanische Wirtschaft stärken wollen .
Niemand opfert den Grünen Gott
Es wäre zu einfach, diesen Trend allein der US-Handelspolitik anzulasten. Lange vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus war klar, dass die Industrieproduktion in Deutschland – und in der gesamten EU – unrentabel geworden war. Solange die nationale Politik den Green Deal und seine „grüne Transformation“ durchsetzt, wird sich nichts ändern.
Niemand wagt es, den grünen Gott zu opfern – die zerstörerische CO₂-Erzählung, die zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führt.
(Tribunal für die Grünen!)
Halbherzige Proteste von Mittelstandsverbänden wie dem Familienunternehmerverband, die einen breiteren politischen Diskurs unter Einbeziehung der Alternative für Deutschland fordern – und deren scharfe politische und mediale Gegenwehr – zeigen, dass Deutschland den Ernst der Lage immer noch nicht erkennt.
Mit der Verlagerung großer Konzerne ins Ausland wird das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – der tief integrierte Mittelstand – geschwächt. Selbst der öffentliche Dienst, der eine halbe Million Menschen einstellt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrie Hunderttausende von Stellen abgebaut hat und in den kommenden Jahren weiter an Wert verlieren wird.
Die Wiedereinführung einer Subvention für Elektrofahrzeuge als wichtigen industriepolitischen Schritt zu feiern, ist im Kern nichts anderes als eine Eingeständnis des Bankrotts ökosozialistischer Politiken, die das Land in eine Spirale der Armut getrieben haben.

