Netanjahu und der Nationalsozialismus

Es ist schockierend in Betracht zu ziehen, dass ein Jude ein Nazi sein könnte.

Dennoch gab es einige seltene Ausnahmen, die vom Führer den Titel “Ehrenarier” erhielten.

Wladimir Jabotinsky, der Führer der “revisionistischen Zionisten”, erhielt ihn nicht,

aber er teilte mit den Nazis ihre rassistische Auffassung des Nationalismus.

Er setzte sich für die Gründung eines “Jüdischen Reiches” neben dem Dritten Reich ein und erhielt dafür die Hilfe der NSDAP.

Einer seiner Jünger verhandelte mit Adolf Eichmann über die Vernichtung von 450.000 ungarischen Juden im Austausch für die Auswanderung von tausend “revisionistischen Zionisten”.

Sie teilten sich die Beute ihres Verbrechens.
Letzten Monat behauptete Benjamin Netanjahu, kurz bevor er von den Vereinten Nationen des Völkermords beschuldigt wurde, kein “Zionist”, sondern ein “revisionistischer Zionist” zu sein.

Benjamin Netanjahu hat Wladimir Jabotinsky immer als jüdischen Helden dargestellt. Aber er hat lange darauf verzichtet, sich auf ihn zu berufen.

Der “Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen” legte am 20. September seinen Bericht (A/79/363) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vor [1].

Mit Vorsicht benennt er, was er beobachten konnte. Er schreibt: “Die in diesem Bericht festgehaltenen Fakten veranlassen den Sonderausschuss zu dem Schluss, dass die während des Berichtszeitraums angewandte israelische Politik und praktische Methode, Elemente aufweisen, die für Völkermord charakteristisch sind.”

Das ist von nun an eine Evidenz für jedermann: Der Staat Israel unter der Führung von Benjamin Netanjahu begeht Völkermord. Ein Drittel der israelischen Bevölkerung hat gegen ihn demonstriert, und die zwei Drittel sind gegen seine aktuellen Militäraktionen. Wie konnte also die selbsternannte “einzige Demokratie im Nahen Osten” so weit gehen?

Um das zu verstehen, müssen wir zunächst zwischen den verschiedenen jüdischen Gemeinschaften der Diaspora und der jüdischen Bevölkerung Israels unterscheiden. Die Reaktionen der verschiedenen Gruppen sind sehr unterschiedlich, auch wenn die jüdischen Gemeinden als Ganzes auf der Idee beharren, dass Israel im Falle einer antisemitischen Bedrohung möglicherweise ihre “Zufluchtsstätte” ist.

Dann müssen wir zugeben, dass die Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu seit Dezember 2022 keine Beziehung zu früheren Regierungen hat. Nur die Juden der europäischen Diaspora haben das nicht verstanden, während sich etwa die Juden der amerikanischen Diaspora bereits massiv von den Verbrechen Benjamin Netanjahus distanziert haben.

Drei Monate nach seinem Amtsantritt, Anfang März 2023, hatte ich schon in diesen Kolumnen erklärt, dass sich die israelische Regierungskoalition einen Fahrplan für die Durchführung eines schrittweisen Staatsstreichs gegeben hat, dessen wichtigste Schritte ich genannt habe [2].

Ich wies auch auf die Gruppe hin, die hinter diesem Projekt stand: die revisionistischen Zionisten von Wladimir Jabotinsky (1890-1940) und ihre amerikanischen Strauß’schen Verbündeten. Ich erklärte, dass die jüdischen Suprematisten Itamar Ben-Gvir (Minister für Heimatschutz) und Bezalel Smotrich (Finanzminister), obwohl sie sich auf Rabbi Meir Kahane beriefen, selbst revisionistische Zionisten seien, da Kahane ja ein Agent von diesen in den Vereinigten Staaten war.

Doch wenn die jüdischen Gemeinden auch schon immer Schauplatz hitziger Auseinandersetzungen waren, so schließen sie sich doch zusammen, um sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass sich keines ihrer Mitglieder jemals mit dem Nationalsozialismus verbündet hat. Juden sind jedoch wie andere Menschen, und einige von ihnen haben sich mit den Nazis verbündet. Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der im Mai 2022 in einem Interview im italienischen Fernsehen versucht hatte, dieses Thema anzusprechen, musste seine Worte verschlucken. Es stimmt, dass es unklug genug war, über Wolodymyr Selenskyjs Judentum zu sprechen und nicht über das von Benjamin Netanjahu. Die beiden Männer teilen heute die gleiche Ideologie, und die Bemerkung, die für den Einen gedacht war, hätte auch dem Anderen bestimmt sein können.

Die Beziehungen zwischen den revisionistischen Zionisten und den Faschisten auf der einen Seite und den Nazis auf der anderen Seite sind, als solche, noch nicht untersucht worden. Man weiß allenfalls, dass David Ben-Gurion Jabotinsky als “sicherlich einen Faschisten und vielleicht einen Nazi” bezeichnet hat.

Der Faschismus ist ein Kult der Gewalt. Der Nationalsozialismus hingegen ist eine Ideologie der Rassenhierarchie. Der Faschismus verübte Massaker, der Nationalsozialismus Völkermorde.

• Wir haben noch immer die größten Schwierigkeiten, über die Beziehungen von Jabotinsky mit dem Duce Benito Mussolini zu sprechen. Dennoch gründete er unter Mussolinis Schirmherrschaft den Betar in den Vororten Roms.

• Die Beziehungen der Nationalsozialisten zu den Juden waren nie völlig feindselig. Reinhard Heydrich bezog im Mai 1935 im Schwarzen Korps Stellung, um zwischen den Feinden, d.h. den assimilatorischen Juden, und den Freunden, den für ihre Auswanderung nach Palästina bereiten Juden, zu unterscheiden. Er wiederholte diese Unterscheidung mehrmals, unter anderem bei der Organisation der “Endlösung”. Für ihn ging es nicht darum, alle Juden zu vernichten, sondern nur diejenigen, die sich nicht für Rassentheorien gewinnen ließen und die nicht ein “Jüdisches Reich” schaffen wollten.

• Von 1933 bis 1939 erlaubten die Nazis deutschen Juden die Auswanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina unter der Bedingung, dass sie ihr Eigentum in Deutschland verkauften und dessen Wert in Form von deutschen Exporten nach Palästina zurückerhielten. Die revisionistischen Zionisten waren die Hauptbefürworter dieses Abkommens (bekannt als das “Haavara-Abkommen” oder “Transferabkommen”), das von der Mehrheit der Diaspora aber verschmäht wurde [3].

1934 ging der SS-Offizier Leopold von Mildenstein nach Palästina, wo er von Ben-Gurion empfangen wurde. Diese Medaille trägt die Inschrift: “Ein Nazi geht nach Palästina und erzählt davon im „Angriff’”. Daraufhin rekrutierte von Mildenstein Eichmann, um die Konvois der “Endlösung” zu organisieren.

• Im April 1935 erlaubten die NS-Behörden dem Betar, schwarze Uniformen zu tragen, da sie diese Bewegung als die beste Unterstützung für diese Vereinbarungen ansahen [4].

• In einem Interview in Joseph Goebbels’ Tageszeitung “Der Angriff” verteidigte der revisionistisch-zionistische Bankier Georg Kareski im September 1935 die Nürnberger Rassengesetze. Er erklärt, dass sie in die gleiche Richtung gehen wie die von den revisionistischen Zionisten vorgeschlagenen Gesetze: “Die Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935 scheinen mir, zusätzlich zu ihren verfassungsmäßigen Bestimmungen, ganz in die Richtung einer solchen gegenseitigen Achtung der Eigentümlichkeit jedes Volkes zu gehen. Die Unterbrechung des durch Mischehen geförderten Auflösungsprozesses vieler jüdischer Gemeinden, ist aus jüdischer Sicht sehr begrüßenswert. Für die Etablierung einer jüdischen nationalen Existenz in Palästina sind diese Faktoren, Religion und Familie, von entscheidender Bedeutung.”

• 1936 erklärte Jabotinsky in einem Interview mit der kommunistischen Zeitung Neue Massen: “Der Revisionismus ist naiv, brutal und primitiv. Er ist wild. Du gehst auf die Straße und nimmst irgendeinen Mann – einen Chinesen – und fragst ihn, was er will, und er wird dir zu 100 % antworten. Wir. Wir wollen ein jüdisches Reich. So wie es italienische oder französische Imperien im Mittelmeerraum gibt, wollen wir ein jüdisches Reich. […] Palästina muss die Heimat von zehn oder zwölf Millionen Juden sein. [5]

Die Zionisten träumten von einer jüdischen “nationalen Heimstätte”, die revisionistischen Zionisten von einem jüdischen “Imperium”.

• 1937 unterstützten die revisionistischen Zionisten auch das französisch-polnische Projekt, das als “Madagaskar-Plan” bekannt wurde. Wieder ging es darum, sich dem Assimilationismus zu widersetzen und die Verlegung nach Madagaskar zu fördern, um ein jüdisches Reich aufzubauen.

• Erst 1938 wurden die deutsche revisionistische zionistische Partei (Staatszionisten) aufgelöst.

• Jabotinsky starb zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im Exil in New York. Ben-Gurion lehnte die Rückführung seiner sterblichen Überreste nach Israel ab. Aber die revisionistischen Zionisten haben weiterhin mit den Nazis zusammengearbeitet.

• Während des gesamten Krieges verhandelte der ungarische “revisionistische Zionist” Rezső Kasztner im Geheimen mit den Nazis.

Er traf sogar Adolf Eichmann, vermutlich 1944, und informierte Persönlichkeiten wie David Ben-Gurion.

Er behauptete, er habe die Erlaubnis zur Flucht für diejenigen erhalten, die ihre Freiheit erkaufen wollten.

Er sammelte mindestens 8,6 Millionen Schweizer Franken, schickte sie aber in den Tod.

Nach Kriegsende wurde er Sprecher des israelischen Ministers für Handel und Industrie.

Er wurde aber 1953 angeklagt und beschuldigt, ungarische Juden getäuscht und ausgeraubt zu haben.

Er wurde in Israel zu einer verhassten Figur und wurde während seines Prozesses ermordet.

Laut dem kürzlich erschienenen Buch des Historikers Nadav Kaplan war seine Eliminierung eine von David Ben-Gurion angeordnete Operation des Geheimdienstes [6].

Es wurde die Frage gestellt, wer von Rezső Kasztners Manövern profitiert habe: die Nazis allein oder auch die “revisionistischen Zionisten”? Mit anderen Worten: Haben die beiden Gruppen gegen die ungarischen Juden zusammengearbeitet?

In einem Interview mit Life behauptete Eichmann 1960, Kasztner “habe sich bereit erklärt, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit die Juden sich nicht gegen ihre Deportation wehren und sich sogar in den Umgruppierungslagern anständig benehmen, wenn ich ein Auge zudrücke und ein paar hundert oder einige tausend junge Juden nach Palästina auswandern lasse, es war ein gutes Geschäft.”

Mit anderen Worten, er hätte 450.000 ungarische Juden geopfert, um 1.684 revisionistische Juden zu retten.

• Alle diese Fälle tauchten wieder auf, als Richter Benjamin Halévy, der im Fall Rezső Kasztner entschieden hatte, den Vorsitz im Prozess gegen SS Adolf Eichmann führen musste.

Letzterer bestätigte, dass er Mitglied einer revisionistisch-zionistischen Vereinigung war.

Es war natürlich nicht möglich, dies zu überprüfen, aber Hanna Arendt, die bei der Verhandlung anwesend war, war davon überzeugt.

Von diesem Moment an prangerten die Sowjets die geheime Absprache zwischen den revisionistischen Zionisten und den Nazis an, aber die Westmächte, die deren Aussagen nicht überprüften, nannten Chruschtschow einen Antisemiten.

Obwohl Benyamin Netanjahu sich nie auf eine Beziehung mit Wladimir Jabotinsky berufen hatte, stellte er Jabotinskys Nachfolger, Yitzhak Shamir, immer als seinen Mentor dar.

In der Nachkriegszeit verschanzten sich die revisionistischen Zionisten im Mossad unter der Autorität von Yitzhak Shamir.

Sie begingen unter dem Schutz der CIA während des Kalten Krieges verschiedene Verbrechen in Lateinamerika, Afrika und Asien.

Zu dieser Zeit rekrutierten sie den Kommandeur der SS-Spezialeinheiten, Otto Skorzeny.

Nun, wenn wir Zeugen des Massakers von palästinensischen Zivilisten werden, unter dem Vorwand der Hamas, die ohnehin nicht mehr über die Mittel verfügt um sich zu wehren, ein Ende zu bereiten, können wir uns nur fragen, ob Benjamin Netanjahu sich nicht auch wie ein Nazi verhält?

Benjamin Netanjahu ist der Sohn von Bension Netanjahu, dem Privatsekretär des Faschisten – und “möglicherweise Nazis” – Wladimir Jabotinsky.
Quelle : Regierung von Israel

Um das klarzustellen: Benjamin Netanjahu, der sich immer geweigert hatte, über “Großisrael” zu sprechen, erwähnte es aber vor einem Monat, am 23. August 2025, in einem Interview auf i24News auf Hebräisch.

Er beantwortete Fragen des Journalisten Sharon Gal, einem ehemaligen Abgeordneten der Partei Israel Beytenu.

Dieser gab ihm ein Amulett, das nicht auf der Leinwand zu sehen ist und das “eine Karte des Gelobten Landes”,

die Karte von “Groß-Israel”, darstellt.

Dann fragte er ihn, ob er sich der Idee nahe fühle.

Provokativ antwortete der Ministerpräsident, er fühle sich mit einer “historischen und spirituellen Mission” betraut und hänge “sehr” an der Vision eines “Großisraels” [7].

Am 23. August 2025 erklärte Benjamin Netanjahu auf i24News, dass seine “historische und spirituelle Mission” darin bestehe, Großisrael vom Nil bis zum Euphrat zu verwirklichen. Er ist der einzige Regierungschef der Welt, der seine Absicht angekündigt hat, seine Nachbarn zu annektieren.

Der Bericht des UN-“Sonderausschusses” ist nicht einfach ein Gutachten, auf das sich die Richter des Internationalen Gerichtshofs stützen können. Es ist auch eine Frage, die uns gestellt wird:

Haben wir die Schlussfolgerungen aus dem allmählichen Regimewechsel in Israel gezogen?

Israelis, die sich weigern, der Wahrheit ins Auge zu sehen, werden Netanjahus nächste Opfer sein:

So wie die Nazis die deutschen Demokraten ermordet haben, werden die revisionistischen Zionisten keine Rücksicht auf sie nehmen.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

1] “Israelische Siedlungspraktiken und -aktivitäten, die die Rechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen” (Referenz A/79/363), Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen, Vereinte Nationen, 20. September 2025.

[2] „Der Strauss’sche Putsch in Israel“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 7. März 2023.

[3] Nach Angaben des Jabotinsky-Instituts in Tel Aviv, wären die verschiedenen Organisationen der revisionistischen zionistischen Bewegung für die Einführung von 72 illegalen Einwanderern in Palästina im Jahr 1937, von 3240 im Jahr 1938, von 14476 im Jahr 1939 und von 3609 im Jahr 1940 verantwortlich gewesen. Quelle: Briefwechsel des Instituts mit Franziskus Nikosia (Nr. 469 vom 28. September 1976).

[4] The Third Reich and the Palestine Question, Francis R. Nicosia, University of Texas Press (1985).

[5] « Brown Shirts in Zion : Jabotinsky—The Jewish Hitler », Robert Gessner, New Masses, Vol. 14 No. 8, February 19, 1935.

[6] « מדוע חוסל קסטנר » (Pourquoi Kastner a-t-il été assassiné ?), Nadav Kaplan, Steimatzky (2024).

[7] Voltaire, internationale Nachrichten – N°140-141 – 5. September 2025

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