und dafür, “die Arbeit in Gaza zu Ende zu bringen”
Benjamin Netanjahus Drift von einem verantworteten Konservatismus hin zum Nationalsozialismus wird immer deutlicher. Nachdem er die “historische und spirituelle” Mission “Groß-Israel” aufzubauen, beansprucht hat, d.h. die Gebiete seiner sieben Nachbarn zu erobern, hat er gerade die Umwandlung Israels in ein “Super-Sparta” gefordert, d.h. die Militarisierung des Staates und die Einstellung jeglichen Handels mit seinen Verbündeten. Wenn Worte eine Bedeutung haben, gibt er uns immer wieder zu verstehen, dass seine Referenzen die Faschisten Wladimir Jabotinsky und Leo Strauss sind. Von einem Fehltritt zum nächsten hat er sich vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen schamlos in Lügen verwickelt, indem er seinen Gegnern dunkle Gedanken unterstellte und das Recht beanspruchte, weiter zu massakrieren.

Letzte Woche warnte ich unsere Leser, insbesondere die israelischen, vor Benjamin Netanjahus rasantem faschistischem – und vielleicht nazistischem – Abdriften, wie Ben-Gurion es über Wladimir Jabotinsky sagte [1]. Ich hatte in der Tat die öffentliche Bekehrung des Ministerpräsidenten zur Doktrin des “Großisraels” zur Kenntnis genommen. Man erinnere sich, dass mit diesem Ausdruck nicht nur die Annexion der Palästinensischen Gebiete in ihrer Gesamtheit an den Staat Israel gerechtfertigt werden soll, sondern auch die Annexion des Ostens Ägyptens, eines Teils von Jordaniens und Saudi-Arabiens, des gesamten Libanon, des größten Teils Syriens und eines Teils des Irak, bis zum ganzen ehemaligen assyrischen Reich “vom Nil bis zum Euphrat“.
Diese Ankündigung, die ausschließlich auf Hebräisch gegeben wurde, d.h. für den alleinigen Gebrauch seiner israelischen Landsleute, löste bei allen arabischen Führern heftige Kritik aus, bis sie auch am 23. September zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gelangte. Außenminister Ahmed Attaf erklärte, dass “die israelische Besatzung jede Aussicht auf die Schaffung eines unabhängigen und souveränen palästinensischen Staates untergrabe, nicht nur vor Ort, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Genährt vom Mythos des ’Groß-Israels’, versucht die israelische Regierung, die Grenzen der Region neu zu definieren und ihre Hegemonie unter Missachtung des Völkerrechts und der Normen für das friedliche Zusammenleben zwischen Staaten auszuweiten”; eine Deklaration, die vom Ständigen Vertreter Russlands wieder aufgegriffen wurde.
Wie sollte man sich denn nicht über diese Referenz wundern, die der Premierminister während seiner politischen Laufbahn immer vermieden hat und die er jetzt inmitten des “Völkermords” in Gaza der Öffentlichkeit präsentiert ? Der Begriff Völkermord ist keine Schrulle eines Juristen, sondern das klug abgewogene Wort des “Sonderausschusses zur Untersuchung israelischer Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber in den besetzten Gebieten beeinträchtigen”, der seinen Bericht (Referenz A/79/363) am 20. September der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt hat [2].
Yifat Tomer-Yerushalmi, der Generalstaatsanwalt der israelischen Streitkräfte, stimmt dem zu. Er hatte den IDF-Generalstab gewarnt, dass 1,2 Millionen Bewohner des Gazastreifens nicht vertrieben werden könnten, ohne sicherzustellen, was aus ihnen werden würde. Doch am 8. September hat General Eyal ’Amir, der Chef des Generalstabs, diese Einwände übergangen. Das ist das erste Mal seit der Gründung des Staates Israel, dass ein Stabschef nicht auf die Warnungen eines Generalstaatsanwalts hört.

Ganz egal! Benjamin Netanjahu beansprucht nun sein komplexes Erbe des Faschismus und des Nationalsozialismus: Am 15. September erklärte der Ministerpräsident auf einer Konferenz, die vom israelischen Rechnungsführer organisiert wurde, dass von nun an die ganze Welt gegen den Staat Israel sei (was falsch ist: Sie ist gegen seine eigene, persönliche Politik). Vor allem die Europäer, die dem Druck ihrer arabischen und muslimischen Einwanderer nachgeben. Der Feind ist nicht mehr die Hamas und der Iran, sondern Belgien und Spanien. Außerdem, fuhr er fort, müsse sich Israel in ein autarkes Land verwandeln… in ein “Super-Sparta”. Es muss seine konventionellen Wirtschaftsaktivitäten aufgeben und seine Rüstungsindustrie ausbauen [3].
Benjamin Netanjahu berief sich auf diesen Mythos mit Vorsicht, als er sagte: “Wir sind Athen und Sparta. Aber wir werden Athen und Super-Sparta werden.“ Man darf nicht vergessen, dass seit dem Untergang des Dritten Reiches sich kein Politiker mehr auf Sparta berufen hat. Es war das Leitmotiv der Nazis und ihrer Verbündeten, sogar der japanischen Imperialisten. Sie alle beriefen sich damals auf Sparta, und gegen Athen, so wie heute alle sich auf Athen berufen, und gegen Sparta sind… mit Ausnahme von Benjamin Netanjahu und den Straussianern. Deshalb verweise ich Sie sofort auf das, was ich vor zwei Jahren geschrieben habe [4]. Der Mann hinter Netanjahus juristischem Staatsstreich, der israelisch-amerikanische Elliott Abrams, beruft sich nicht nur auf Wladimir Jabotinsky, den Begründer des revisionistischen Zionismus, sondern auch auf Leo Strauss.
Aber Leo Strauss war nicht nur ein Schüler Jabotinskys, den er mit Benzion Netanjahu (Benyamins Vater) in New York empfing. Er war Professor für Philosophie an der University of Chicago. Er bildete heimlich seine Lieblingsschüler aus. Er nannte sie seine “Hopliten” (d.h. seine schwerbewaffneten Soldaten in Anlehnung an das antike Griechenland). Er stellte sie auf die Probe, indem er sie schickte, um die Vorlesungen seiner Rivalen durcheinander zu bringen. Dann lehrte er sie, dass sie sich nicht auf Demokratien oder schwache Regime verlassen sollten, um sich vor einem möglichen Holocaust zu schützen, sondern ihre eigenen Diktaturen aufbauen sollten. Es waren seine Schüler wie Richard Perle und Paul Wolfowitz, die die US-Geheimdienste manipulierten und sich an den Anschlägen vom 11. September sowie an der Zerstörung Afghanistans und des Irak beteiligten.
Der Verweis auf Sparta ist ein Erkennungsmittel, das alle Faschisten verstehen. Oppositionsführer Yair Lapid kommentierte dies am nächsten Tag auf Radio 103FM: “Sparta ist zerstört worden.“ Er ist Sohn eines Historikers. Er hat mich überrascht. „Sparta ist ein Schwert, warum hat er es erwähnt? Weil er uns in ein Land im Krieg verwandelt hat. Wir wollen kein Staat im Krieg sein, wir wollen ein wohlhabendes, reiches und beliebtes Land in der Welt sein.” Vor allem hätte er sagen und wiederholen sollen, dass Benzion Netanjahu ein Faschist war und dass Sparta eine unwürdige Referenz für eine Demokratie ist, dass die Überlebenden des Holocaust, die an Bord der Exodus geflohen sind und an der Gründung des Staates Israel beteiligt waren, sich im Grab umdrehen würden, wenn sie hörten, wie der Premierminister einen Nazi-Mythos heraufbeschwört und Völkermord begeht.

Als ob das nicht genug wäre, hat Benjamin Netanjahu vor der 80. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen [5] nicht aufgehört zu lügen. In einem Raum, der von drei Vierteln der diplomatischen Delegationen verlassen war, behauptete er, die Hamas habe am 7. Oktober “1200 unschuldige Menschen” massakriert, obwohl er, laut der israelischen Presse, der IDF befohlen hatte, Soldaten und Zivilisten selbst zu töten, damit sie nicht “vom Feind gefangen genommen” würden [6]. Er ist daher für die Hälfte der Todesfälle verantwortlich, die er anprangert. Dann behauptete er, dass die Hamas in ihrer Charta zur “Ermordung aller Juden auf dem Planeten” aufgerufen habe, was nie dort gestanden ist. Er prahlte damit, dass er alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen, während alle nicht-israelischen – und oft israelischen – Experten das Gegenteil feststellen. Er beschuldigte alle, die versuchen, die Bewohner des Gazastreifens zu retten, antisemitisch zu sein und Antisemitismus zu verbreiten, ohne zu erkennen, dass es seine Politik ist, die im Namen eines selbsternannten “jüdischen Staates” durchgeführt wird, die diesen Antisemitismus anheizt. Er beschuldigte 90 Prozent des palästinensischen Volkes, die Gräuel des 7. Oktober unterstützt zu haben, während es eine Militäroperation des gesamten Widerstands (mit Ausnahme der Fatah) unterstützte und sich weitgehend von den an diesem Tag begangenen Verbrechen distanzierte. Er warf den Palästinensern vor, keinen unabhängigen Staat neben Israel, sondern anstelle Israels zu wollen, während Jassir Arafat zusammen mit Yitzhak Rabin das Oslo-Abkommen unterzeichnete und die “Zwei-Staaten-Lösung” akzeptierte. Und so weiter.
Wann werden wir zugeben, dass Benjamin Netanjahu kein Demokrat mehr ist und dass es unsere Pflicht ist, ihn zu bekämpfen, bevor er alle Bewohner des Gazastreifens getötet und mit der Säuberung der Israelis begonnen hat? Mehr als alle anderen sollten sich die Israelis, deren Eltern von ihren Heimatländern verraten und der Nazi-Barbarei ausgeliefert wurden, gegen das erheben, was aus dem Staat Israel nun wird, nicht nur gegen die Araber, sondern auch gegen sie.
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
1] „Netanjahu und der Nationalsozialismus“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 23. September 2025.
[2] “Israelische Siedlungspraktiken und -aktivitäten, die die Rechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen” (Aktenzeichen A/79/363), Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen, Vereinte Nationen, 20. September 2025.
[3] Die Passage wurde aus dem auf der Website des Premierministers veröffentlichten Text ausgeschnitten, ist aber auf dem Video der Veranstaltung zu sehen. Seine Rede begann um 4:27 Uhr. « PM Netanyahu’s remarks at the “Fifty States – One Israel” Event at the Ministry of Foreign Affairs, with the largest delegation of American legislators to ever visit Israel », Prime Minister’s Office, September 15, 2025. « כנס אגף החשב הכללי לדורותיו », YouTube.
[4] „Der Strauss’sche Putsch in Israel“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 7. März 2023.
[5] « Discours de Benyamin Netanyahou devant la 80° session de l’Assemblée générale des Nations unies », par Benyamin Netanyahou, Réseau Voltaire, 26 septembre 2025.
[6] „Hat die IDF am 7. Oktober 2023 mehr Israelis getötet als der palästinensische Widerstand?“, Übersetzung Horst Frohlich , Voltaire Netzwerk, 14. Februar 2025.