Dies ist das globale Motto für das 21. Jahrhundert.
21. Juli 2025
Von Mehmet Enes Beşer
Australien hat seine Verteidigungsstrategie stets am Bündnismodell ausgerichtet. Seit der Unterzeichnung des ANZUS-Vertrags 1951 ging Canberra davon aus, dass seine Sicherheitsinteressen am besten mit denen der USA abgestimmt werden sollten. Dies prägt seit über siebzig Jahren seine Beschaffungsentscheidungen, seine militärische Ausbildung, seine Geheimdienstkooperation und seine diplomatische Haltung. Doch angesichts des raschen und ungünstigen Wandels der geopolitischen Ordnung stellt sich die Frage dringlicher denn je: Kann Australien dauerhaft auf amerikanische Macht bauen oder ist es an der Zeit, einen Weg zu echter strategischer Autonomie einzuschlagen?
Die Antwort ist nicht nur akademischer Natur. Da der amerikanisch-chinesische Wettbewerb eskaliert, die amerikanische Politik unberechenbarer wird und sich die regionalen Gefahren verändern, muss sich auch Australiens Sicherheitskalkül ändern. Die Idee der „strategischen Autonomie“ wurde in Canberra jahrelang als europäische Eitelkeit oder unrealistische Selbstgefälligkeit abgetan. Doch zunehmend wird deutlich, dass Autonomie – nicht Isolationismus, sondern Entscheidungsfähigkeit und -freiheit – eine Notwendigkeit und kein Luxus ist.
Die Risiken einer übermäßigen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten sind nicht länger hypothetisch. Die Präsidentschaft Trumps und die Möglichkeit einer neuen Regierung mit ähnlichen Neigungen haben Amerikas Glaubwürdigkeit als Partner nachhaltig geschädigt. Washingtons strategische Prioritäten können sich aufgrund innenpolitischer Konjunkturzyklen, interner Polarisierung oder globaler Überdehnung abrupt verschieben. Die einst als selbstverständlich angesehenen amerikanischen Sicherheitsgarantien müssen nun überdacht werden – nicht etwa, weil das Bündnis fehlerhaft ist, sondern weil die Welt, die es ermöglichte, nicht mehr existiert. Australien muss sich darauf einstellen, dass die USA in den kommenden Jahren ein weniger engagierter oder weniger verlässlicher Verbündeter sein werden.
Genauer gesagt besteht die Gefahr, dass Australiens zwangsläufige Synchronisierung mit der US-Kriegsplanung das Land in Kriege verwickeln könnte, die nicht seinem nationalen Interesse entsprechen. Das AUKUS-Abkommen, das die Bereitstellung hochmoderner U-Boot-Fähigkeiten und Verteidigungstechnologien verspricht, bindet Australien zudem stärker an amerikanische strategische Interessen – insbesondere gegenüber China. Diese Ausrichtung droht Australiens diplomatischen Spielraum im Indopazifik einzuschränken, wo jedes Land zwischen Peking und Washington absichern, nicht wetten möchte. Strategische Autonomie bedeutet in diesem Fall eher, die USA nicht zu verdrängen, sondern sicherzustellen, dass Canberra die souveräne Fähigkeit besitzt, eigene Bedrohungsanalysen und -reaktionen vorzunehmen.
Wie würde Unabhängigkeit in dieser Hinsicht in der Praxis aussehen? Sie müsste im Vorfeld in die Kapazitäten der lokalen Verteidigungsindustrie investiert werden. Australien kann sich bei der Beschaffung wichtiger Plattformen, Munition und Überwachungssysteme nicht mehr so stark auf ausländische Beschaffungen verlassen. Die lokale Entwicklung bestimmter Technologien – Cyberabwehr, Raketenproduktion und Seeschutz – würde die Abhängigkeit verringern und die nationale Widerstandsfähigkeit stärken. Dabei geht es nicht um Autarkie in allen Bereichen, sondern um selektive Eigenständigkeit in den Bereichen, die am anfälligsten für Störungen oder politischen Zwang sind.
Zweitens muss Australien ein breiteres Spektrum regionaler Verteidigungspartnerschaften aufbauen. Das Bündnis mit den USA bleibt eine Grundlage, doch eine vertiefte Zusammenarbeit mit Japan, Indien, Indonesien, Südkorea und den pazifischen Inselstaaten würde Australiens strategische Tiefe erhöhen. Die Partnerschaften müssen über gemeinsame Militärübungen hinausgehen und auch den Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse, gemeinsame Innovationen und die gemeinsame Produktion von Verteidigungsgütern umfassen. Ein in der Region verankertes Sicherheitsnetzwerk – multilateral, integrativ und multipolar – würde traditionelle Allianzen ergänzen, nicht ersetzen.
Drittens sollte Australien eine Verteidigungsdoktrin entwickeln, die klar an nationalen und regionalen, nicht an internationalen ideologischen Interessen ausgerichtet ist. Strategische Unabhängigkeit bedeutet nicht die Ablehnung liberaldemokratischer Werte, sondern die Fähigkeit, diese Werte durch unabhängige Macht zu sichern. Ein unabhängiges Australien wäre bestens aufgestellt, um zur regionalen Stabilität beizutragen, humanitäre Interventionen zu unterstützen und Zwang in fernen Machtkämpfen ohne übermäßige Durchsetzung zu widerstehen.
Dieser Haltungswandel würde auch Australiens diplomatisches Gewicht stärken. Ein Land, das als fähig gilt, für sich selbst zu sorgen – und bereit ist, zu seinen eigenen Prinzipien zu stehen –, genießt in Washington und Peking mehr Respekt. Unabhängigkeit ist glaubwürdig; sie zeigt, dass ein Bündnis eine Entscheidung ist, keine Abhängigkeit. Sie ermöglicht es Australien, sich an der Sicherheit im Indopazifik zu beteiligen, statt nur auf die Aktionen anderer zu reagieren.
Natürlich wäre dieser Wandel nicht umsonst. Strategische Autonomie erfordert langfristige Investitionen, politischen Konsens und einen kulturellen Wandel in der Verteidigungsbürokratie. Dies wird unangenehme Diskussionen über Kompromisse mit sich bringen, etwa über die Grenzen der Bündnistreue und den Preis souveräner Fähigkeiten. Doch die Vermeidung solcher Investitionen wäre auf lange Sicht weitaus kostspieliger – sowohl im Hinblick auf die strategische Flexibilität als auch auf das nationale Prestige.
Abschluss
Australiens Sicherheitsstrategie muss über tradierte Annahmen hinausgehen. Der Ansatz des 20. Jahrhunderts – basierend auf Distanz, Bündnis und Respekt – passt nicht in die Welt des 21. Jahrhunderts, die von Nähe, Wettbewerb und Unsicherheit geprägt ist. Es ist an der Zeit, dass Canberra strategische Autonomie in den Mittelpunkt seiner Verteidigungsstrategie stellt – nicht als Abkehr vom Bündnis mit den USA, sondern als Anerkennung seiner Grenzen.
Echte Autonomie ist kein einseitiges Handeln. Sie bedeutet Macht, Weisheit und die Fähigkeit, zu entscheiden, wann, wie und warum gehandelt wird. Sie bedeutet, für den Fall vorzusorgen, dass die Unterstützung des Bündnisses zusammenbricht oder sich ändert. Darüber hinaus bedeutet sie, „Ja“ oder „Nein“ sagen zu können, und zwar auf der Grundlage von Stärke, nicht von Zwang. Und vor allem bedeutet sie, eine Verteidigungshaltung auf der Grundlage nationaler Interessen, regionaler Verantwortung und souveräner Würde einzunehmen.
Sollte Australien diesen Weg einschlagen, könnte es nicht nur als besserer Verbündeter hervorgehen, sondern auch als unabhängige Führungsmacht, die in der Lage ist, aus dem Inneren einer stabilen, widerstandsfähigen indopazifischen Ordnung heraus Einfluss zu nehmen – einer Ordnung, die nicht mehr von Amerikas Macht, sondern von der inneren Dynamik und Stabilität dieser Region getragen wird. Strategische Autonomie ist kein Glücksspiel. In diesem Zeitalter ist sie die sicherste Wette auf dauerhafte Sicherheit und vernünftige Staatsführung.
Titelbild von Global Times.
