Eingereicht von Thomas Kolbe
China verschafft sich im Handelsstreit mit den USA etwas Luft, indem es vor allem gegenüber der EU aggressiv auftritt. Dank seiner Vormachtstellung bei Seltenen Erden und Deutschlands Importabhängigkeit von Mikrochips hat Peking derzeit die Oberhand. Deutschland und die EU täten gut daran, sich wieder auf marktorientierte Prinzipien und strategisches Denken zu besinnen.
Zwei scheinbar unabhängige Ereignisse verdeutlichen dasselbe Problem: Vor einer Woche drohte Volkswagen mit einem vollständigen Produktionsstopp, sollte China die Ausfuhr dringend benötigter Seltenerdmetalle verbieten. Die Medien reagierten schockiert. Plötzlich tauchte die Schreckensbotschaft der deutschen Ressourcenabhängigkeit von China wieder auf.
Wenige Wochen zuvor war in den Niederlanden ein ungewöhnlicher Wirtschaftsstreit entbrannt. Am 30. September verstaatlichte die niederländische Regierung den niederländisch-chinesischen Chiphersteller Nexperia und löste damit eine handfeste diplomatische Krise mit Peking aus. Die Sorge: eine mögliche Verlagerung der Produktionsstätten nach China und der damit verbundene Verlust von technologischem Know-how in der Chipherstellung.
Tief verwurzelte Abhängigkeit
Beide Ereignisse beschreiben die Situation recht treffend, insbesondere für die deutsche Industrie. Tief verflochten mit chinesischen Wertschöpfungsketten, läuft sie nun Gefahr, Opfer geopolitischer Konflikte zu werden. Zwar trug die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel schrittweise dazu bei, Exportmärkte wie die USA oder Frankreich schneller als China zu diversifizieren, doch Deutschlands sogenannte Risikominderungsstrategie konnte nicht verhindern, dass rund eine Million deutscher Arbeitsplätze weiterhin direkt von Exporten nach China abhängen. Im vergangenen Jahr exportierte Deutschland Waren im Wert von rund 90 Milliarden Euro nach China . Jedes neunte Exportprodukt geht in die Volksrepublik, insbesondere Hightech-Produkte und Automobile.
China bleibt mit Waren im Wert von 156 Milliarden Euro Deutschlands wichtigster Importpartner . Besonders besorgniserregend ist Deutschlands Abhängigkeit von China bei der Chip-Produktion: 25 % der deutschen Unternehmen beziehen Halbleiter direkt aus China; 2024 war China der wichtigste Lieferant, noch vor den USA und Taiwan . In über 230 Produktkategorien, darunter nahezu das gesamte Spektrum der Elektronik und Halbleiter, machten chinesische Waren mindestens die Hälfte der deutschen Importe aus.
Die deutsche – und europäische – Industrie ist tief in ein Netz von Markt- und Lieferkettenabhängigkeiten verstrickt, die geopolitisch zunehmend schwieriger und fragiler zu handhaben sind.
Der Wind hat sich gedreht
Jahrzehntelang verfolgte Deutschland ein quasi-merkantilistisches Handelsmodell. Dank eines inländischen Niedriglohnsektors, billigem russischem Gas und eines aus Produktivitätssicht relativ unterbewerteten Euros konnte die deutsche Industrie problemlos wachsende Marktanteile in Schlüsselbranchen wie der Automobil- und Maschinenbauindustrie sichern.
Angesichts der veränderten geopolitischen Lage wird nun deutlich, dass die deutsch-chinesische Handelspartnerschaft inmitten der Wirren des Russland-Konflikts und des US-chinesischen Handelskriegs Gefahr läuft, zerstört zu werden.
Und Peking schreckt, einmal unter Druck gesetzt, nicht vor drastischen Maßnahmen zurück. Die aktuellen Debatten spiegeln die Beschwerden deutscher Unternehmen wider, dass Seltene Erden nur im Austausch für die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen, Kundenlisten und anderen sensiblen Informationen geliefert werden. Das ist kein Geben und Nehmen, sondern eiskalte Erpressung, weit mehr als bloße Machtdemonstration.
Chinas Führung geht mit aller Härte vor, angetrieben von eigenen wirtschaftlichen Problemen wie hoher Jugendarbeitslosigkeit und anhaltender Deflation, die sie über ihren stark überbewerteten Exportsektor zu lösen versucht. China hält seine Exportmaschinerie durch Subventionen auf Hochtouren und verdrängt so ausländische Hersteller vom heimischen Markt.
Das chinesische Machtgefüge lässt sich erst vollständig verstehen, wenn wir einen besseren Einblick in die Arbeitsweise industriefeindlicher NGOs in Europa und Nordamerika gewinnen, die von China unterstützt werden. Sie trugen dazu bei, die antiindustrielle CO₂-Klima-Erzählung zu verbreiten, verschärften die Angriffe auf die deutsche Automobilindustrie und überschwemmten gleichzeitig künstlich geschaffene Klimamärkte mit chinesischen Lösungen.
EU-Selbsthilfegruppe
Brüssel – und damit auch Berlin – scheinen selten mit genügend Entschlossenheit, strategischer Weitsicht oder analytischem Verständnis zu handeln, um sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Zu viel Zeit, Energie und strategisches Potenzial werden für interne EU-Pflegeprojekte verschwendet. Niemand kümmert sich um die drängenden Probleme, die sich aus der Abhängigkeit von China ergeben. Die wirtschaftliche Bedrohung, insbesondere im Bereich der Seltenen Erden, wird immer deutlicher und von Peking als geopolitisches Instrument eingesetzt. Bis zu 90 % der Raffineriekapazitäten für Seltene Erden befinden sich in chinesischer Hand – ein starkes Druckmittel, wenn die Verhandlungen mit China schwierig werden.
Ausbruchsversuche
Zumindest besteht ein Bewusstsein für das Problem. Die Vorgängerregierung versuchte, den US-amerikanischen Chiphersteller Intel mit einem 10-Milliarden-Euro-Subventionspaket nach Magdeburg zu locken, um die Lieferketten zukünftig zu verbessern. Intel lehnte jedoch trotz der Milliarden ab – ein verheerendes Urteil für die deutsche Wirtschaft.
Welch ein verheerendes Eingeständnis für die Europäer, gefangen in ihrem eigenen Regulierungsdschungel und dem Desaster ihrer Energiepolitik! Intel investiert lieber im Inland, wo Präsident Trump wettbewerbsfähige Bedingungen schafft und damit faktisch Investitionen aus Europa abzieht. Europa steht sich selbst im Weg und scheitert daran, seine Wertschöpfungsketten zu stabilisieren oder zu vertiefen.
Der Versuch der EU, in Abstimmung mit nationalen Politiken, neben dem massiv subventionierten Klimakomplex eine Art Kriegswirtschaft aufzubauen – ein gescheiterter Versuch der Energieunabhängigkeit –, muss als Akt der Verzweiflung gewertet werden. Ohne Chinas Vorprodukte für Mikrochips, Seltene Erden, Rohstoffe und die ehemals russische Energieversorgung wird dieser Produktionsausbau wohl eine Vision bleiben.
Die Folge der europäischen Lähmung: Essenzielle industrielle Grundlagen – von Rohstoffen bis hin zu Hightech-Endprodukten in Elektronik und Maschinenbau – zerfallen vor unseren Augen aufgrund der Energiekrise. Es ist nahezu unmöglich, diese Produktgruppen in Europa, insbesondere in Deutschland, wettbewerbsfähig zu skalieren.
Die Emanzipation erfordert Deutschland
In diesem historischen Moment, in dem der Ukraine-Konflikt die geopolitischen Machtverhältnisse weiter verschärft, wird Europas Fragilität deutlich. Seine Energieabhängigkeit und Ressourcenknappheit schwächen seine Verhandlungsposition.
Das Handelsabkommen – faktisch eine Unterwerfung unter das Diktat Washingtons – passt perfekt in dieses Bild: China, die USA und andere globale Akteure kennen Europas Achillesferse und zielen zunehmend auf sein Energiedilemma ab, das durch den Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohle sowie das Ende der russischen Gasimporte, insbesondere in Deutschland, noch verschärft wird.
Es läge im Interesse aller Europäer, wenn Deutschland die Führung übernähme und der kontraproduktiven Klimadoktrin ein Ende setzte. Ein Bekenntnis zur nationalen Souveränität und marktwirtschaftlichem Denken, eingebettet in einen wettbewerbsfähigen EU-Binnenmarkt, könnte Europas Stärke wiederbeleben. Der Kontinent ist technologisch nach wie vor in der Lage, aufzuholen und seine starke Kapitalbasis zu aktivieren.
Hier liegt Europas geopolitisches Druckmittel. Ein „Großer Neustart“ ist unerlässlich: Befreiung von kafkaesker Bürokratie, niedrigere Steuern und ein marktorientiertes Energiekonzept – eine Art Kaltakquise, die den lähmenden Klimadialogen ein Ende setzt, welche die komplexen wirtschaftlichen Realitäten verkümmern lassen.
Kälteentgiftung unvermeidbar
So hart es auch klingen mag, Deutschland – und die EU – müssen eine 180-Grad-Wende vollziehen, um als Investitionsstandort wieder attraktiv zu werden. Kapital bevorzugt eindeutig Trumps deregulierende US-Politik.
Geopolitisch sollte Europa die kanadischen Ressourcen nutzen – ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auch die Debatten um Grönlands Seltene Erden sollten intensiviert werden. Exploration und tatsächliche Erschließung werden jedoch Jahre dauern. Der Druck auf deutsche und europäische Hersteller wächst bereits; Verhandlungslösungen und ein stärkeres politisches Engagement sind dringend erforderlich.
Eine geopolitische Allianz mit Washington, um Pekings Erpressungsversuchen entgegenzuwirken, ist sinnvoll. Präsident Trump baut aktiv ein paralleles Liefernetzwerk für die Industrie auf und sichert sich Rohstoffe durch Verträge in Australien, Malaysia, Thailand und Japan – ein beeindruckendes Ergebnis nach nur 72 Stunden außenpolitischer Bemühungen.
Merz bleibt passiv
Die deutsche Bundeskanzlerin hingegen hält sich aus diesem Bereich heraus und überlässt ihn der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. Die Kommission bietet außer einem rein kosmetischen europäischen Recyclingprogramm für Seltene Erden keine sichtbaren Initiativen. Das Ausbleiben von Maßnahmen verschafft der Industrie den dringend benötigten Handlungsspielraum. Während Washington die Welt bereist, scheint Berlin in bürokratischer Stagnation erstarrt.
Wir erleben die Rückkehr der Machtpolitik auf der globalen Bühne, angeführt von den Supermächten USA und China. Europas Rolle bleibt ungewiss, doch sein geopolitischer Verlust ist offensichtlich. Von der Leyen, Merz, Macron und Starmer müssen akzeptieren, dass die Ära der oberflächlichen Klimadialoge und trivialen Wohlfühlveranstaltungen wie der COP30 in Brasilien vorbei ist.
