Fünf Erkenntnisse aus zwei Landtagswahlen
Auffällig sind eine Niederlage der Regierungskoalition auf Bundesebene und die Etablierung neuer politischer Akteure.

Von Şafak Erdem
Am 1. September fanden in Sachsen und Thüringen Wahlen statt. Die Wahlbeteiligung lag in Sachsen bei 74,3 Prozent, in Thüringen bei 73,6 Prozent. Hier sind fünf wichtige Beobachtungen zum Wahlergebnis.

1. Keine Partei kann allein die Regierung bilden
In beiden Bundesländern hat keine Partei genügend Sitze errungen, um allein eine Regierung zu bilden. Um regieren zu können, muss eine Partei eine Mehrheit im Landtag erreichen.
Im 120 Sitze umfassenden Sächsischen Landtag bräuchte man eine Mehrheit von 61 Sitzen. Am nächsten kommt diesem Wert die CDU (Christlich Demokratische Union) mit 41 Sitzen.
Im Thüringer Landtag mit 88 Sitzen sind 45 Sitze als Mehrheit erforderlich. Die AfD (Alternative für Deutschland) kommt diesem Wert mit 32 Sitzen am nächsten.
Infolgedessen kann in keinem der beiden Staaten eine Partei allein eine Regierung bilden. Wir werden also Koalitionsregierungen sehen. Die entscheidende Frage ist nun, wer mit wem und unter welchen Bedingungen eine Koalition bilden wird.

2. Unterstützung für die Bundesregierung sinkt auf 10 %
Die drei Parteien, die derzeit die Bundesregierung in Deutschland bilden (Sozialdemokratische Partei – SPD, Grüne und Freie Demokratische Partei – FDP), mussten einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen.
In Sachsen beträgt der Gesamtstimmenanteil dieser drei Parteien lediglich 13 Prozent, nach 20,8 Prozent bei der letzten Wahl 2019.
In Thüringen liegt der Gesamtanteil bei 10 %, nach 18,4 % bei der Wahl 2019.

3. AfD ist in Ostdeutschland eine Selbstverständlichkeit
Die AfD, die im Osten Deutschlands stärker ist als im Westen, hat bei dieser Wahl erneut erfolgreiche Ergebnisse erzielt.
Rund ein Drittel der Wähler in beiden Bundesländern wählte die AfD.
Die AfD steigerte ihren Stimmenanteil in Thüringen von 23,4 Prozent im Jahr 2019 auf 32,8 Prozent und in Sachsen von 27,5 Prozent auf 30,6 Prozent.

4. Wagenknecht findet ihren Platz
Das gleichnamige Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat nach seinem erfolgreichen Debüt bei der Europawahl im Juni bei seinen ersten Landtagswahlen recht gut abgeschnitten.
Nach ihrer Abspaltung von der Linkspartei kritisierte Wagenknecht die Linke häufig dafür, dass sie „in der Lebensstil-Befürwortung gefangen“ sei und eine „übermäßig akademische Sprache“ verwende und stattdessen eine Politik führe, die sich an den Kernthemen der Öffentlichkeit orientiere.
Sie erregte Aufmerksamkeit, indem sie eine große Friedenskundgebung in Berlin organisierte, zu einer Zeit, als die antirussische Atmosphäre in Deutschland erdrückend war.
Nach dem Wahlergebnis stellte Wagenknecht eine ungewöhnliche Bedingung für mögliche Koalitionen. Sie kritisierte die Entscheidung von Bundeskanzler Scholz auf dem Nato-Gipfel, den USA die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland zu gestatten, und erklärte: „Wenn wir Teil einer Landesregierung sind, muss diese Regierung darauf hinwirken, diese Entscheidung zu ändern.“
Mit seinem Erfolg in diesen beiden Bundesländern scheint der BSW seine Position in der deutschen Politik gefestigt zu haben.
5. Niemand will eine Koalition mit der AfD
Obwohl die AfD in beiden Bundesländern insgesamt den höchsten Stimmenanteil hat, will keine andere Partei mit ihr eine Regierung bilden.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich besorgt über das Abschneiden der AfD in diesen beiden Bundesländern und sagte: „Unser Land darf und kann sich daran nicht gewöhnen.“
Und er rief alle Parteien dazu auf, Koalitionen mit der AfD zu vermeiden:
„Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und schädigt das Ansehen unseres Landes. Wir fordern nun alle demokratischen Parteien auf, stabile Regierungen zu bilden, die die extreme Rechte ausschließen.“







